Ist der Erfolg einer Auslandsentsendung vorhersagbar?   Mit fortschreitender Globalisierung hat der internationale Personaleinsatz sowohl an Umfang wie insbesondere an Bedeutung erheblich zugenommen. Doch nach wie vor bleibt ein beträchtlicher Anteil der Entsandten hinter den Erwartungen des entsendenden Unternehmens zurück. Immer wieder führen Anpassungsschwierigkeiten des Auslandsmitarbeiters oder seiner Familie auch zum vorzeitigen Abbruch des Auslandsaufenthalts. In Zahlen ausgedrückt: 10-12 % beträgt nach seriösen Studien die Abbruchquote, weitere 10-15 % aller Entsendungen verlaufen „suboptimal“. Dabei zeigen sich zwischen einzelnen Ländern / Regionen deutliche Schwankungen, was entweder darauf zurückzuführen ist, das einige Länder für Expatriates „schwieriger“ sind als andere oder aber dass in einige Länder besser geeignete Mitarbeiter geschickt werden als in andere. Angesichts deutlich unterschiedlicher „Attraktivität“ verschiedener Ausreiseländer ist letzteres keinesfalls auszuschließen.  Die finanziellen und immateriellen Konsequenzen einer abgebrochenen oder erfolglos beendeten Entsendung sind beträchtlich. Nach Expertenschätzungen und in der Literatur werden die unmittelbaren Kosten für das Untermnehmen auf das Drei- bis Vierfache des Jahresgehalts des Mitarbeiters geschätzt, für den betroffenen Mitarbeiter selbst bedeutet das Scheitern zumeist Karriereeinbußen und oft genug private Probleme: Ehekrisen bis hin zur Scheidung, Depressionen, Alkoholprobleme…  So ist nur folgerichtig, dass diverse Anbieter Auswahlverfahren und –instrumente anbieten, die den Anspruch erheben, auslandsgeeignete Mitarbeiter zu selektieren. Doch wie seriös sind diese Angebote?  Immer wieder tauchte schon in der Vergangenheit die Frage auf, ob sich mittels einer entsprechenden „Eignungsdiagnostik“ die Scheiterungsquote nicht erheblich reduzieren ließe. Bereits 1960 wurden die ersten „Prädiktoren interkultureller Effektivität“ veröffentlicht, die „Eignungskriterien“ für die Auswahl von Auslandsmitarbeitern darstellen sollten.  In Deutschland begannen vor allem entwicklungspolitische Entsendeorganisationen schon früh sich mit diesem Thema zu beschäftigen (Deutscher Entwicklungsdienst, Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit etc.), in den USA war es vor allem das Peace Corps. Immer neue Listen mit Eignungskriterien entstanden, zumeist hielten sie jedoch einer praktischen Validierung nicht Stand. Der „Vorhersage-Erfolg“ war enttäuschend, gelegentlich sogar unmittelbar kontraproduktiv. Fehlende empirische Breite, mangelhafte Operationalisierung und ungeeignete Meßmethoden werden heute dafür als ursächlich gesehen.  Bis in die 90er Jahre war immer wieder versucht worden, Zusammenhänge fast ausschließlich zwischen Persönlichkeitseigenschaften und dem späteren Einsatzerfolg herzustellen, obwohl schon früh deutlich wurde, dass „…Persönlichkeitsmerkmale, die im Heimatland gemessen werden, keinen Aufschluss über das Verhalten der Mitarbeiter unter völlig veränderten Umweltbedingungen in den Einsatzländern erlauben. Die nahe liegende Schlussfolgerung hieraus: „Um den Entsendungserfolg erklären oder vorhersagen zu können müssen deshalb die komplexen Wechselwirkungen zwischen individuellen Verhaltensdispositionen und Umweltfaktoren betrachtet werden. Weitere Forschungen machten rasch deutlich, dass zudem ‚anforderungsbezogene’ Faktoren, also Position und Aufgaben des Auslandsmitarbeiters eine zentrale Rolle bei einer Erfolgsdiagnostik spielen und auch die ‚familiären Voraussetzungen’ einbezogen werden müssen.  Damit war zu Beginn der 90er Jahre zugleich empirisch wie praktisch klar, dass es eine ‚universelle Auslandseignung’, von Praktikern auch gerne ‚interkulturelle Geländegängigkeit’ mit weltweitem Anspruch festgemacht an bestimmbaren Persönlichkeitseigenschaften nicht gibt. Dass vielmehr der Erfolg eines Auslandseinsatzes von einem Bündel von Faktoren abhängig ist, deren wichtigste sind:  -       Die Anforderung der Auslandsposition (Aufgaben, Funktion, Position)  -       Die konkreten sozio - kulturellen Umfeldbedingungen im Gastland (Mentalität, Lebens- und Arbeitsbedingungen)  -       Familiäre Voraussetzungen und familiäre Stabilität  -       Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensdispositionen des Mitarbeiters    Die derzeit größten Schwierigkeiten liegen vor allem darin, dass die sozio-kulturellen Umfeldbedingungen von Land zu Land teils erheblich variieren und sich darüber hinaus bei vielen Ländern (insbesondere Flächenstaaten wie China oder den USA) innerhalb eines Landes deutlich unterscheiden können. Diese Umfeldbedingungen empirisch zu analysieren – und sei es nur für die 20 wichtigsten Ausreiseländer – stellt einen enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand dar, der sich für das einzelne Unternehmen kaum noch amortisieren lässt. Zumal diese Bedingungen einem ständigen Wandel unterworfen sind und deshalb fortlaufend aktualisiert werden müssten. Freie Anbieter auf dem Markt sind –zumindest in Deutschland- in der Regel jedoch nicht finanzkräftig genug, die erforderlichen Vorlaufkosten für umfangreiche Datenerhebungen in verschiedenen Ländern zu finanzieren. Ohne eine entsprechende Datenbasis jedoch ist eine seriöse „Erfolgsdiagnostik“ schlichtweg unmöglich.   Wenn der Erfolg eines Auslandseinsatzes aber, wie dargelegt, nicht allein in der Person des entsandten Mitarbeiters begründet liegt, ergeben sich auch für die Entwicklung eines diagnostischen Instrumentariums erhebliche Probleme. Denn derzeit ist kein Standardverfahren bekannt, das in der Lage wäre, die genannten Faktoren erfolgversprechend abzubilden. Nur über eine Kombination verschiedener Instrumentarien wäre derzeit ein geeignetes Verfahren implementierbar.  Doch jedes Instrumentarium setzt letztlich valide Kriterien voraus. Solange sie fehlen wird der Erfolg eines Auslandseinsatzes seriös nicht vorhersagbar sein. Verfahren, wie sie derzeit in der Praxis vorherrschen wie Vorgesetztengespräche, (unstandardisierte) Interviews etc. können realistisch derzeit nur „Zufallstreffer“ produzieren – anders gesagt: sie können allenfalls dazu beitragen, ‚offensichtliche Fehlentscheidungen’ zu verhindern. Und dies umso besser, je mehr Kenntnisse Vorgesetzte oder Interviewer um die konkrete Aufgabe und die Situation im Einsatzland (sozio-kulturelle Bedingungen) wissen und je genauer sie den Mitarbeiter und seine familiäre Situation kennen. Entsprechende Hilfestellungen und Briefings dieser Personen sind daher durchaus sinnvoll. Das ist wenig, aber besser als nichts.  Asia Bridge Nr. 8 / 2003 |