Vor etwa 30 Jahren hatte ich das Glück, Viktor Frankl, den Begründer der Logotherapie, bei einem Vortrag vor Studenten und Führungskräften an der Wirtschaftsuniversität Wien zu hören.
Mit einem simplen Stück Kreide in der Hand führte Frankl aus, daß viele Menschen mehr denn je ihr Lebensglück auf eine Art, die man graphisch als Erfolgsgerade von 0 bis 100 darstellen kann, messen:
Versagen = 0% ---------------------------- Erfolg=100%
0% ist Unglück, Armut, Unzufriedenheit, 100% sind Glück, so genannter Erfolg; Glück und Erfolg werden jedoch in der Regel nur an äußeren Dingen gemessen – Geld, Auto, Haus, Urlaub, Kleidung, Schmuck, Macht, Prestige, Ansehen!
Allerdings vergessen wir zumeist – oder es kommt uns zu selten zu Bewusstsein -, dass es noch eine zweite Gerade gibt, nämlich jene, die von der inneren Zufriedenheit bis hin zur Depression führt. Graphisch dargestellt bilden beide Geraden ein Kreuz mit vier Feldern.
Innere Zufriedenheit
III I I
I
I
Versagen = 0%------------------------------Erfolg=100%
I
I
IV I II
Depression
Und: dass wir uns die Frage stellen sollten, in welchem dieser vier Felder wir uns befinden.
Am schönsten erscheint es uns natürlich im Feld rechts oben (I): materiell alles, was wir brauchen zu haben und innerlich zufrieden zu sein.
Am wenigsten erstrebenswert erscheint das Feld links unten (IV): arm und unglücklich sein.
Fast genauso wenig erstrebenswert erscheint uns der Bereich links oben (III), äußerlich arm, jedoch innerlich zufrieden: das sei etwas für die Mönche im Himalaja, aber nicht für unsere Kultur.
Aber das Traurige und zugleich Schockierende ist, meinte Frankl, wie erschreckend viele Menschen sich in unserer Kultur im Bereich rechts unten (II) befinden: materieller Überfluss, aber innere Leere! Menschen, die dann auch noch versuchen, diese innere Leere durch ein Mehr auf der „Erfolgsgeraden“ auszugleichen: durch noch mehr Geld, Arbeit und noch mehr materielle Dinge. Menschen, die dabei komplett vergessen, dass sie sich eigentlich in Richtung einer Balance zwischen innerer Zufriedenheit und äußerem Erfolg entwickeln sollten.
Wahrscheinlich sogar mehr in Richtung Zufriedenheit, da es hier in unserer Zeit zweifellos den größten Nachholbedarf gibt.
Und dann fügte er hinzu – und bitte bedenken Sie, das war vor rund 30 Jahren! -, daß um die Jahrhundertwende – voilà – nur solche Unternehmen überleben werden, die
a) ihren Kunden mehr als nur „Produkte“ verkaufen werden; denn die Produkte, die Qualitäten und die Preise würden immer ähnlicher werden - warum sollte also jemand bei uns kaufen und nicht bei der Konkurrenz 100m weiter in der Straße?
und
b) ihren Mitarbeiter mehr anbieten als nur einen „Job“ (und dabei erwarten, daß sie jeden Tag ihr Bestes geben)
Dem wird gelegentlich entgegengehalten, dass es doch nicht die Aufgabe einer Unternehmung, einer Führungskraft sein kann, für die persönlichen Bereiche seiner Mitarbeiter (auch noch) zuständig zu sein.
Falsch.
Natürlich nicht in dem Sinne, dass wir den Mitarbeitern vorgeben, was ihr Lebenssinn und ihre privaten Ziele sein sollen. Absolut nicht.
Aber sie inspirieren, diese für sich selbst zu finden, privat und beruflich - und zu leben.
Denn,
Nur Menschen, die mit sich selbst zufrieden sind, schaffen auch gute Ergebnisse.
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