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Mitarbeiter deutscher Unternehmen, die ins China-Geschäft involviert sind, haben allen Grund, sich darüber zu freuen, dass die Chinesen das Frühlingsfest ausgiebig feiern. In dieser Zeit lässt das hartnäckige Drängeln und Fragen vieler chinesischer Kunden, ob bestellte Maschinen oder andere Waren nicht doch schneller als vereinbart ausgeliefert werden könnte, spürbar nach. Ein typisches chinesisches Kundenverhalten, das die für China zuständigen Kollegen nervlich stark strapaziert.  China hat inzwischen Japan als größten Handelspartner Deutschlands in Asien abgelöst. Aufgrund der wachsenden Handelsbeziehungen dürfte es von Jahr zu Jahr mehr Mitarbeiter in deutschen Firmen geben, die immer öfters von "lästigen" chinesischen Kunden/Handelspartner "belästigt" und um schnellere Lieferung gebeten werden. Strukturen, wie sie sich in westlichen Ländern in Jahrzehnten herausgebildet, existieren in China noch nicht bzw. sind gerade dabei zu entstehen. Denn der chinesische Markt ist inzwischen ein sehr wettbewerbsintensiver, wechselhafter und schneller Markt. Es gibt unzählige Akteure, die am Kuchen beteiligt werden möchten. Dabei spielt Schnelligkeit eine sehr große Rolle: „Wer zu langsam ist, ist tot“, ist ein Spruch, der immer wieder von chinesischen Unternehmern zitiert wird. Bekommt der chinesische Kunde nicht schnell genug seine Ware, wendet er sich oft direkt an den nächsten Lieferanten. Dabei hat er herzlich wenig Interesse zu erfahren, warum die Lieferung nicht so schnell kommt, wie er sich das wünscht.  Ein chinesischer Unternehmer, der in Deutschland auf einer Geschäftsreise war und bei einem Optiker eine Brille kaufen wollte, konnte es nicht fassen, dass die Brille nicht am selben Tag abgeholt werden kann, sondern erst nach zwei Wochen! Würde man in China auf eine schnelle Lieferung bestehen, bekommt man seine Brille nach einer Stunde! Geht man in Deutschland zu einem Möbelhaus und sucht sich etwas aus, bekommt man nicht selten vom Verkäufer mitgeteilt, dass die Lieferzeit zwei Monate dauert. Für Chinesen ist das völlig unverständlich, insbesondere wenn man gleichzeitig in der Presse liest, dass die Möbelindustrie unter Auftragsmangel leidet und Kurzarbeit fährt.
Deutsche Manager, die von deutschen Firmen nach China entsandt werden, sind nicht selten vom chinesischen Tatendrang fasziniert und lassen sich anstecken. Wenn sie zwischendurch nach Deutschland kommen, sind auch sie schnell frustriert über die Schwerfälligkeit und Unbeweglichkeit im Heimatland. „In China geht die Post ab“, hört man immer wieder von ihnen. Auch mit dem Lernen sind die Chinesen schnell, wie man am Beispiel des Transrapid in Shanghai erleben konnte. Es ist durchaus nicht unrealistisch, dass eines Tages die Chinesen eine Magnetschwebebahn in Deutschland bauen. Sie bauen sie schneller und billiger. Und, was besonders schmerzlich für die Deutschen ist: die Chinesen bauen sie trotz des hohen Tempos nicht unbedingt schlechter.  In vielen interkulturellen Trainings hierzulande bekommen die deutschen Teilnehmer immer noch undifferenziert erzählt, dass man mit Chinesen Geduld haben müsse.  Nicht selten gibt es auch Teilnehmer, die wissen möchten, wie man chinesische Kunden überzeugen kann, dass doch alles seinen geregelten Gang gehen müsse. Der chinesische Kunde müsse doch einsehen, dass seine Forderung nach Schnelligkeit und Verfügbarkeit nicht realisierbar oder manchmal gar „unverschämt“ sei! Chinesische Kunden von ‚objektiven’ Schwierigkeiten zu überzeugen, kann manchmal durchaus Verständnis wecken. Aber dem Kunden das Gefühl zu vermitteln, dass er eigentlich unrecht habe oder gar, dass sein Drängeln „unverschämt“ sei, ist jedoch sicher der beste Weg, ihn als Kunden loszuwerden. Im Gegenteil, selbst unter ungünstigsten Bedingungen sollte man dem chinesischen Kunden das Gefühl vermitteln, dass man alles, aber auch wirklich alles versuche, seinem Wunsch nachzukommen, selbst dann, wenn klar sei, dass dies nicht realistisch sei. Denn das sichtliche Bemühen stärkt das Vertrauen des chinesischen Kunden und dieses Bemühen wird mit Folgeaufträgen honoriert.  Interkulturelles Training kann helfen, mit diesem Problem umzugehen. Dennoch: auf längere Sicht müssen beide Seiten sich auch in Sachen Geschwindigkeit substanziell annähern. Da aber die Geschwindigkeit weiterhin ein sehr wichtiger Wettbewerbsfaktor im China-Geschäft bleiben wird, sind die Deutschen gefordert, schneller zu werden.
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